Es war einmal auf der wunderschönen Insel Hawan, wo das Meer so blau war wie der Himmel und die Palmen im Wind tanzten. Dort lebte ein kluges und mutiges Mädchen namens Lani. Sie wohnte mit ihrer Familie in einem kleinen Dorf am Fuße des großen Vulkans Kiluna. Ihre Großmutter Nani erzählte ihr oft Geschichten über die mächtige Feuergöttin Pele.

„Pele schläft tief in den Tiefen des Berges“, sagte Nani. „Doch wenn sie wütend wird, erwacht sie und singt ihr Lied aus Feuer und Rauch.“

Lani lauschte immer gespannt den alten Legenden. Sie hatte großen Respekt vor dem Vulkan und liebte es, auf seinen steinigen Pfaden zu klettern und die warmen, dampfenden Ritzen in den Felsen zu beobachten. Die Erde lebte, das wusste sie, und manchmal konnte sie sogar das leise Zittern unter ihren Füßen spüren.

Eines Morgens, als Lani am Ufer des Ozeans Muscheln sammelte, hörte sie ein tiefes, entferntes Grollen. Sie blickte auf und sah, wie sich am Gipfel des Kiluna eine schwarze Rauchwolke in den Himmel schob. Ein leiser Wind trug den Geruch von Schwefel zu ihr herüber.

Sofort rannte sie ins Dorf. „Großmutter, der Berg spricht zu uns!“ rief sie. „Ich habe sein Flüstern gehört!“

Doch die alten Menschen im Dorf schüttelten den Kopf. „Kiluna ist ruhig“, sagten sie. „Mach dir keine Sorgen, Kind.“ Aber Lani konnte das Beben in ihren Knochen spüren. Sie wusste, dass Pele erwachen würde.

In der darauffolgenden Nacht kam ein weiteres Beben, stärker als zuvor. Lani wurde aus dem Schlaf gerissen. Sie sprang auf und lief nach draußen. Am Himmel zuckte ein rötlicher Schein. Der Vulkan glühte. „Pele ist erwacht!“ rief sie.

Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen den Horizont berührten, brach der Vulkan mit einem gewaltigen Knall aus. Eine glühend heiße Fontäne aus Lava schoss in den Himmel, Funken regneten herab wie Sterne in einer stürmischen Nacht. Dann begann ein zähflüssiger Strom roter Lava den Berg hinab zu fließen, langsam, aber unaufhaltsam, auf das Dorf zu.

Lani wusste, dass sie keine Zeit verlieren durfte. „Wir müssen fliehen!“ rief sie. Doch viele Dorfbewohner waren unsicher. „Vielleicht wird Pele uns verschonen“, hofften sie.

Aber Lani erinnerte sich an eine alte Legende: Wenn man Pele respektvoll bittet, könnte sie ihren feurigen Tanz verlangsamen. Also stellte sie sich mutig auf einen Felsen, schloss die Augen und sprach ein Gedicht für die Göttin.

„Oh Pele, Herrscherin des Feuers,
Höre unser Flehen in dunkler Stunde,
Zeige uns den sicheren Pfad,
Lass dein Feuer nicht unser Zuhause verschlingen.“

Ein plötzlicher Windhauch strich über das Land. Der heiße Strom aus Lava schien für einen Moment zu stocken. Dann, als wäre es ein Wunder, bog die glühende Flut leicht ab und floss in eine andere Richtung, fort von den Häusern des Dorfes.

Als der Morgen kam, war das Dorf unversehrt geblieben, doch Pele hatte neue Wege über die Insel geschaffen.

Die Menschen waren dankbar und verstanden nun, dass man die Zeichen der Erde nicht ignorieren darf. „Lani hat uns gerettet“, sagte die Großmutter stolz. „Denn wer auf die Natur hört, wird von ihr beschützt.“

Von diesem Tag an lehrten die Ältesten die Kinder, auf den Gesang des Vulkans zu achten und ihn niemals zu überhören.

Die Moral von der Geschichte:

Die Natur spricht immer zu uns – wir müssen nur lernen, ihr zuzuhören.