Frida, die Schneiderin, stellt sich magischen Prüfungen, um ihre Zukunft zu sichern – doch nur vereint mit anderen kann sie den König zu gerechteren Löhnen bewegen.
Märchen:
Es war einmal in einem großen Königreich namens Arbeitania eine fleißige Schneiderin namens Frida Gewerk. Sie nähte die schönsten Gewänder, flickte Hosen für die armen Leute und stickte goldene Muster auf die Roben der Reichen. Doch obwohl Frida unermüdlich arbeitete, reichte ihr Lohn kaum, um sich und ihre kleine Tochter Leni zu ernähren. Nacht für Nacht saß sie bei flackerndem Kerzenlicht an ihrer Nähmaschine, während Leni friedlich schlief. Wenn sie am Morgen erwachte, stellte sie immer dieselbe Frage: „Mama, wann können wir uns ein richtiges Festmahl leisten?“ Frida seufzte dann nur und strich ihrer Tochter liebevoll über das Haar.
Die Menschen im Dorf bewunderten Frida für ihre Ausdauer. „Wenn du weiter so fleißig bist, wirst du eines Tages reich sein“, sagten sie. Doch Frida schüttelte den Kopf. „Ich kann arbeiten, so viel ich will – es wird niemals genug sein.“ Sie wusste, dass viele Frauen im Königreich das gleiche Schicksal teilten: Sie nähten, wuschen, kochten und pflegten, doch ihr Lohn war immer zu gering, um ihnen eine sichere Zukunft zu ermöglichen.
Eines Tages hörte Frida von einer mächtigen Zauberin, die in einem hohen Turm am Rande des Reiches lebte. Sie hieß Morgana Machtvoll und soll die Geheimnisse des Wohlstands kennen. Also machte sich Frida auf den Weg. Sie wanderte durch dunkle Wälder, über hohe Berge und durch reißende Flüsse, bis sie schließlich den Turm erreichte. Der Wind pfiff durch die Ritzen der alten Mauern, und eine Eule kreischte aus den Schatten.
„Oh weise Morgana“, bat Frida, als sie endlich vor der Zauberin stand, „sag mir, wie ich genug verdienen kann, um für meine Tochter zu sorgen.“
Morgana schmunzelte und winkte Frida näher. „Ich gebe dir drei Prüfungen“, sagte sie. „Bestehst du sie, wirst du eine goldene Zukunft haben.“
Zuerst führte Morgana Frida in eine Kammer voller goldener Spulen. „Webe aus diesen Fäden ein Tuch, das nie zerreißt“, forderte die Zauberin.
Frida arbeitete die ganze Nacht. Doch als sie fertig war, merkte sie, dass die goldenen Fäden brüchig waren – sie hielten nichts zusammen. „Das Gold ist schön, aber nicht stark“, sagte Frida. „Ich brauche etwas Besseres.“ Also spann sie ihr eigenes Leinen, fest und haltbar, aus einfachen, aber widerstandsfähigen Fasern.
„Klug erkannt“, sagte Morgana. „Schönheit allein sichert keine Zukunft.“
Dann führte Morgana sie in eine zweite Kammer, in der es nur winzige Stühle gab. „Setz dich und ruhe dich aus“, befahl sie.
Doch Frida konnte sich auf den kleinen Stühlen nicht niederlassen. „Diese Stühle sind nicht für mich gemacht“, sagte sie. „Ich brauche einen Platz, der zu mir passt.“ Also suchte sie im Raum nach Holz, schnitzte sich mit geschickten Händen einen eigenen Stuhl und setzte sich mit einem zufriedenen Seufzen darauf.
Morgana nickte. „Richtig! Wer keinen Platz bekommt, muss ihn sich nehmen.“
Schließlich führte Morgana sie in die letzte Kammer. Dort stand ein großer Spiegel. „Sieh hinein“, sagte die Zauberin.
Frida sah sich selbst – doch ihr Spiegelbild war blass und durchsichtig, als wäre sie kaum da.
„Warum sehe ich mich nicht richtig?“, fragte sie erschrocken.
Morgana lächelte weise. „Weil du unsichtbar bist für den König und seinen Rat. Solange du dich nicht zeigst, wird sich nichts ändern.“
Da verstand Frida. „Ich muss mit anderen zusammen laut sprechen, sonst werden wir übersehen.“
„Ganz genau“, sagte Morgana.
Frida kehrte in ihr Dorf zurück, aber diesmal blieb sie nicht leise. Sie versammelte die anderen Schneiderinnen, die Bäckerinnen und Mägde und rief: „Wir müssen zusammenstehen! Niemand soll uns übersehen!“
Die Kunde verbreitete sich im ganzen Königreich. Bald schlossen sich auch Bauern, Händler und Mütter an, bis der König selbst aus seinem Palast kam. „Was wollt ihr?“ fragte er.
„Einen gerechten Lohn für unsere Arbeit!“ rief Frida. „Wir wollen eine Zukunft, in der wir von unserer Arbeit leben können!“
Der König runzelte die Stirn. Noch nie hatten so viele Menschen gemeinsam vor seinem Schloss gestanden. „Aber wenn ich euch mehr gebe, dann bleibt für mich weniger!“ sagte er und lachte spöttisch.
Da trat Leni, Fridas Tochter, mutig vor und sagte mit fester Stimme: „Wenn du uns nicht gibst, was wir verdienen, wirst du bald ohne Gewänder dastehen, ohne Brot und ohne Dach über dem Kopf. Denn wir sind es, die dein Reich aufbauen.“
Die Menschen hinter ihr begannen zu nicken und zu rufen: „Wir sind es, die dein Reich stark machen!“
Der König konnte sich nicht länger taub stellen. Er ließ neue Gesetze schreiben, die sicherstellten, dass niemand für seine Arbeit zu wenig erhielt.
Frida wurde berühmt als „die kluge Schneiderin“, und von nun an konnte sie nicht nur für sich und Leni sorgen, sondern auch anderen helfen. Ihr Name wurde im ganzen Land erzählt, und nie wieder musste eine Mutter ihrem Kind sagen, dass der Lohn nicht für ein Festmahl reichte.
Und die Moral der Geschichte: Wer unsichtbar ist, muss sich zeigen. Wer keinen Platz bekommt, muss ihn sich nehmen. Und wer zusammen mit anderen spricht, kann die Welt verändern.