Es war einmal in einem tiefblauen Meer vor dem Land Sylania, wo die Meeresbewohner in Frieden lebten. Dort, in den dunklen Tiefen des Ozeans, schwamm Potto, ein junger, neugieriger Pottwal. Er war stark und klug, doch seine Neugier war manchmal größer als seine Vorsicht. Während die alten Wale ihm von den Gefahren des Nordmeers erzählten, träumte Potto davon, die Welt zu entdecken.
Eines Tages hörte er von einer geheimnisvollen Strömung, die angeblich in das Land der unendlichen Weiten führte. Die älteren Wale warnten ihn:
„Diese Strömung ist tückisch! Sie führt dich in flache Gewässer, in denen gefährliche Dinge der Menschen lauern. Bleib lieber hier, wo es sicher ist!“
Doch Potto konnte seine Neugier nicht zügeln. „Ich bin stark! Ich bin schnell!“, dachte er und ließ sich heimlich von der Strömung treiben, fort von seiner Familie, hinein in das Unbekannte.
Zunächst war die Reise ein Abenteuer. Potto sprang aus dem Wasser, drehte sich in der Luft und genoss die neue Umgebung. Er entdeckte bunte Fische, verspielte Robben und fremde Klänge, die aus den Tiefen des Meeres kamen. Doch je weiter er schwamm, desto kälter wurde das Wasser. Die Fische wurden seltener, die Stille drückender.
Nach einiger Zeit merkte Potto, dass die Strömung stärker wurde. Sie zog ihn mit einer Kraft, die er nicht verstand. Er versuchte, umzukehren, doch es war zu spät. Plötzlich spürte er einen schrecklichen Schmerz in seinem Bauch. Er hatte aus Versehen ein glänzendes Ding verschluckt, das er für einen Tintenfisch gehalten hatte – doch es war kein Tintenfisch, sondern ein Stück menschlichen Mülls!
Mit jedem Atemzug wurde es schwerer für ihn zu schwimmen. Die Strömung trieb ihn weiter in unbekannte Gewässer. Er versuchte zu tauchen, doch sein Körper fühlte sich schwer an. Er versuchte zu rufen, doch niemand antwortete. Die Dunkelheit der Nacht legte sich über das Meer, und Potto spürte die Einsamkeit.
Dann kam der Sturm. Die Wellen wurden hoch, der Wind tobte, Blitze zuckten über den Himmel. Potto kämpfte gegen die Strömung, doch sie war stärker als er. Immer wieder wurde er gegen unsichtbare Hindernisse gestoßen – große, harte Dinge, die im Wasser schwammen. Er verstand nicht, was es war, doch es roch fremd und machte ihm Angst.
Erschöpft wurde er von einer riesigen Welle erfasst und mit voller Wucht gegen einen Sandstrand geschleudert. Die Welt drehte sich, das Wasser wich zurück, und plötzlich lag er da – regungslos auf dem Land, unfähig, sich zu bewegen. Er hörte das Meer, doch es war zu weit weg.
Potto versuchte, seinen großen Körper zu heben, doch er war zu schwach. Sein Bauch tat weh, sein Atem wurde schwer. Zum ersten Mal in seinem Leben spürte er Angst. Würde ihn jemand retten? Oder war dies das Ende seiner Reise?
Am nächsten Morgen entdeckten die Menschen von Sylania den riesigen Wal am Strand. „Ein Meeresriese!“, riefen die Kinder staunend. Doch die Erwachsenen blickten besorgt. Sie hatten schon viele Geschichten über gestrandete Wale gehört, und sie wussten, dass die Zeit gegen Potto lief.
„Er braucht Hilfe, aber er ist schon sehr schwach. Wir müssen schnell handeln!“
Die besten Tierärzte des Landes kamen, um herauszufinden, was mit Potto geschehen war. Sie untersuchten ihn und entdeckten das glänzende Stück Müll in seinem Bauch. Ein alter Fischer seufzte schwer:
„Es ist unser Müll. Wir haben das Meer verschmutzt, und nun leiden seine Bewohner darunter.“
Die Menschen beschlossen, etwas zu ändern. Sie sammelten Müll aus dem Meer, errichteten Schilder mit Warnungen und erklärten den Kindern, warum Plastik nicht ins Wasser gehört. Doch für Potto kam die Rettung zu spät. Er war zu lange ohne seine Familie gewesen, zu weit von seinen warmen Gewässern entfernt.
Die Menschen von Sylania verabschiedeten sich mit schweren Herzen von dem Meeresriesen. Sie beschlossen, dass Pottos Geschichte nicht vergessen werden durfte. Sie errichteten eine große Skulptur aus Treibholz, die ihn zeigte, stolz und majestätisch. Sie erzählten ihren Kindern von Potto, damit sie lernten, das Meer zu respektieren und zu schützen.
Seit diesem Tag erinnern sich die Menschen von Sylania daran, dass ihre Taten das Meer beeinflussen. Die Kinder erzählen sich Pottos Geschichte und wissen:
„Jeder kleine Schritt, den wir tun – ein aufgehobenes Plastikstück, ein sauberer Strand – kann das Leben eines großen Meeresriesen retten.“
Und irgendwo, tief in den Meeren, schwimmen Pottos Brüder und Schwestern – sicherer als je zuvor.